Andreas Estner aus Wall (18) steuert weiter in Richtung Königsklasse: 2019 startet er in der FIA Formel 3. Alle acht Rennen finden parallel zur Formel 1 statt.
Wall – Es ist eine Knaller-Neuigkeit, die da auf der offiziellen Internet-Seite der FIA Formel 3 (F3) zu finden ist. Schaut man sich dort die Fahrerliste an, ist beim Schweizer Team Jenzer Motorsport ein neuer und im Landkreis Miesbach gut bekannter Name zu finden: Andreas Estner (18) aus Wall. Der Rennfahrer, der 2018 noch in der ADAC Formel 4 unterwegs war, hat den Sprung in die nächst höhere Klasse geschafft. Und ist damit endgültig im Dunstkreis der Formel 1 angekommen: Alle acht Rennwochenenden der F3 finden im Rahmenprogramm der Königsklasse statt – auf der ganz großen Bühne des Motorsports.
Eigentlich hatten die Estners für 2019 eine andere Serie im Blick: die Euroformula Open (wir berichteten). Aus Kostengründen und auch wegen der deutlich erfahreneren Konkurrenz schien ein Engagement in der Formel 3 zuerst keine Option. Dann jedoch winkte das Schicksal mit der schwarz-weiß-karierten Flagge, erzählt Vater Franz Estner. Bei Jenzer Motorsport war der dritte Fahrer überraschend abgesprungen – kurz vor dem ersten offiziellen Test in Le Castellet (Frankreich). Per Anruf erfuhr Andreas Estner vom freien Cockpit – und stieg ein.
Was so selbstverständlich klingt, war der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser für den 18-Jährigen. Denn mit dem Formel 4-Renner, den er in den drei Jahren zuvor gesteuert hat, hat ein F3-Wagen nicht mehr viel gemeinsam. Das zeigt allein schon der Blick auf die Leistungsdaten des Motors: 380 PS statt 160, 3,4 Liter Hubraum statt 1,4, 8000 Umdrehungen pro Minute statt 3500, 300 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit statt 210. Hinzu kommen noch die aus der Formel 1 adaptierten Systeme Halo (Kopfschutzbügel über dem Cockpit) und DRS (Überholhilfe durch ein Flachstellen des Heckflügels).
Beeindruckend für Estner, aber nicht beängstigend. Er verließ sich auf sein Gespür für schnelle Autos, das er in seiner jungen Karriere schon so oft unter Beweis gestellt hat. Runde um Runde ließ er den Wagen ein bisschen schneller um den Circuit Paul Ricard fliegen, verbesserte seine Zeiten immer mehr. Am Ende landete Estner konstant unter den Top 15 von 30 Fahrern. „Überraschend gut“, sagt sein Vater. Der Lohn für Andreas: eine Zusage, dass es mit seiner ersten Formel 3-Saison klappt.
Am 10. Mai ist es soweit. Auf dem Circuit de Catalunya in Barcelona wird Andreas Estner in sein erstes Rennwochenende starten – parallel zum Europaauftakt von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und Co. in der Formel 1. Eine große Herausforderung bei 30 top-motivierten Nachwuchsfahrern aus der ganzen Welt. Von Siegen träumt Estner – einer von nur drei Deutschen im Starterfeld – daher noch nicht. „Das wird ein Lernjahr“, dämpft auch Vater Franz die Erwartungen. Anders als seine Konkurrenten habe Andreas keinerlei Formel 3-Erfahrung und sei auch auf einigen Strecken noch nie gefahren. So lautet das Ziel vorerst, in der Serie anzukommen und das Beste aus seinem Auto herauszuholen. Erste Messlatte für Estner sind seine Teamkollegen Yuki Tsunoda aus Japan und Artem Petrov aus Russland.
Dass sein Team Jenzer Motorsport eine stabile Brücke auf dem schmalen Pfad zum Gipfel des Motorsports sein kann, zeigen die Referenzen des Rennstalls. So sammelten unter anderem bereits Größen wie der spätere DTM-Meister Bruno Spengler, Le Mans-24 Stunden-Sieger Neel Jani oder der frühere Williams-F1-Pilot Sergey Sirotkin dort ihre Erfahrungen.
Wo Estners Weg hinführt, kann derzeit niemand sagen. Zu komplex ist die Formel-Welt, in der sich nicht zwangsläufig der beste Fahrer durchsetzt. Auch das Paket aus Chassis, Motor und Reifen muss harmonieren. Und natürlich die Atmosphäre im Team.
Bei Jenzer fühlt sich der Waller aber bereits jetzt sehr wohl, erzählt sein Vater. Eine wichtige Grundlage, denn vorm Auftaktrennen bleiben nur noch wenige Testtage. Die größte Herausforderung wird wohl das richtige Reifenmanagement. So nennen Rennfahrer die Technik, die Slicks ins richtige Temperaturfenster zu bringen. In der Formel 3 ist das besonders schwer, weiß Franz Estner. Nach nur einer schnellen Runde müsse man die Reifen wieder abkühlen lassen. Die Formel 1 lässt grüßen.
Text: Sebastian Grauvogl
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